Hindernisse der Ernährungswende

Im Rahmen eines Praxis-Seminars des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie an der Uni-Bayreuth wurde ich gefragt, was aus meiner Sicht Hindernisse für eine Ernährungswende seien. Dem Reflex die üblichen Verdächtigen aufzuzählen (Politik, Handel, Agrarkonzerne) widerstehend bin den Wurzeln in tiefere Erdschichten gefolgt. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben freue ich mich mit dem ein oder der anderen darüber ins Gespräch zu kommen. Vor allem zur Frage was die folgend aufgeführten Hindernisse für die Gründung und Entwicklung von Solawis bedeuten können?

Even after all this time
The sun never says to the earth,
You owe Me.”
Look what happens
with a love like that,
It lights the Whole Sky.
Hafiz

Hindernis I: Land und Boden lassen sich nicht kapitalisieren ohne Sie zu zerstören. Die Dynamik unseres Finanzsystems mit dessen Wachstums-Paradigma, steht im Widerspruch zum wirtschaften mit endlichen Ressourcen (Humus, Biodiversität, Boden) und ökologischen Kreisläufen. Kreisläufe welche unsere Landschaft und Lebensmittelversorgung langfristig vital halten. Der Slogan „Wachsen oder Weichen“ der in der Agrarpolitik und vom Deutschen Bauernverband Jahrzehntelang die Landwirte benebelt hat schlägt in die selbe Kerbe.

Die Lösung ist daher die regionale Landwirtschaft vom Finanzsystem und Agrarpolitik zu entkoppeln. Bürger und Landwirte müssen dafür Hand in Hand arbeiten. Die solidarische Landwirtschaft ist ein dafür geeignetes Instrument.

Hindernis II: Die Trennung als Weltanschauung. Die Separation ist eine Weltanschauung die so alt ist wie die Sesshaftwerdung des Menschen. Sie ist die Wurzel der Krankheit die unsere westliche Zivilisation durchdringt, seit dem wird die Welt in zwei Bereiche getrennt haben. Sie wurde in das Wilde und das Domestizierte, den Mensch und die Natur, das Unkraut und die Kulturfrucht usw. getrennt. Es gibt zwei gegenüberstehende Kräfte- Gut und Böse. Seit dem gilt wir machen die Welt zu einem besseren Ort, wenn wir das Böse vernichten.

In der Landwirtschaft bedeutet es das alle Unkräuter mit Glyphosat behandelt werden, Wölfe/Bieber abschießen, alle Pflanzenkrankheiten ausmerzen, Wildwuchs beseitigen, Hörner bei Rindern ebenso usw.

Diese kollektive Geschichte der Trennung von Mensch und Natur mündet im Drang zur Kontrolle. Ein echtes Hindernis für die Ernährungswende.

Hindernis III: Ein drittes Hindernis ist die Gier. Gier macht nur im Kontext von Knappheit Sinn.

Unsere vorherrschende kulturelle Ideologie besagt: Wir sind getrennte Individuen in einem Universum, dass von unklaren und lebensfeindlichen Umwelt geprägt ist. Das zwingt uns ums Überleben zu kämpfen. Sicherheit gibt es nur wenn wir diese Kräfte kontrollieren (Bezug zu Hindernis I). Hineingeworfen in ein objektiviertes Universum – außerhalb von uns selbst – müssen wir miteinander um begrenzte Ressourcen wetteifern. Die kollektive Geschichte des getrennten Selbst führt dazu dass in der Biologie oder in der Wirtschaft die Gier als Grundaxiom bestimmend ist. In der Biologie sind es die Gene die danach streben ihre Fortpflanzung Eigennützig zu maximieren. In der Wirtschaft ist es der rational Handelnde, der versucht seine finanziellen Gewinne zu maximieren.

Aber was wenn, die Grundannahme der Knappheit falsch ist – eine Projektion unserer Weltanschauung und nicht die ultimative Wirklichkeit? Dann ist die Gier nicht in unser Menschsein programmiert, sondern einfach ein Symptom unserer Wahrnehmung von Mangel.

Hindernis 4: Betrachten wir die Lebensmittelindustrie, welche eine enorme Nahrungsmittelverschwendung auf jeder Verwertungsebene verursacht. Vom Bauernhof zum Einzelhandel gehen 4% der Produkte verloren, vom Einzelhandel zum Konsumenten 12% und beim Verbraucher selbst 29% (Buzby et al., “Supermarket Loss Estimates.”). Darüber hinaus sind große Teile der Landwirtschaftsflächen der Energieerzeugung zur Verfügung gestellt oder der ineffizienten Fleischproduktion.

Mechanische Landwirtschaft hat zwar den Ertrag pro Arbeitsstunde im letzten Jahrhundert enorm gesteigert, nicht aber den Ertrag der pro Hektar möglich ist. Moderne gärtnerische Methoden können ein Vielfaches der Produktionsleistung pro Hektar erreichen. Gute Nachrichten, denn wir werden nicht verhungern, sofern wir bereit sind mehr Handarbeit zu leisten und wir keine Verstärkung von künstlicher Intelligenz erhalten.

Es braucht also ein Umdenken, Reichtum bzw. Wohlstand sollte künftig als Flussgröße und nicht mehr als Ansammlung verstanden werden. Das ist keine neue Idee, Wohlstand als Anhäufung von Gütern trat mit den agrarischen Zivilisationen zum ersten Mal auf. Jäger und Sammler sind, mit wenigen Ausnahmen, nomadisch. Besitz war und ist eine Belastung für sie. Die Landwirtschaft braucht Sesshaftigkeit und der Lebensunterhalt hängt stark von Lagerung von Nahrungsmitteln und Saatgut ab. Jäger und Sammler blieben mit Ihrem Bevölkerungszuwachs innerhalb der Tragfähigkeit der umgebenden Ökosysteme. In schwierigen Zeiten konnten sie einfach weiterziehen oder sich anpassen. Agrarische Systeme, wie unseres, nicht. Es ist daher an der Zeit einen „Gesellschaftsvertrag“ über die nachhaltige Produktion von Lebensmitteln zu schaffen.

Daniel Hornstein